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Geblendete Herzen
von Helga Panitzky

Leseprobe
 

   "Post für Sie Frau Gräfin!" 
   "Danke! Legen Sie die Post bitte in den blauen Salon, Anna!" 
   "Wie Sie wünschen, Frau Gräfin"! 
Schwerfällig erhebt sich Gräfin Isabell zu Hohenstein aus ihrem Sessel.
"Meine Beweglichkeit läßt doch erheblich nach. Bitte helfen Sie mir aus meinem Sessel, Anna!" 
   "Sie müssen mehr Sport treiben, Frau Gräfin!" 
   "Sie haben gut reden Anna, Sie sind jung!" 
   "Frau Gräfin sind doch noch in den besten Jahren!" 
   "Schön wärs, Anna!" Amüsiert schaut Isabella der wendigen
Anna hinterher, die mit einem Staubwedel in der Hand den Schmutz
von den kostbaren Möbeln entfernt. 
   'Jung müßte man noch einmal sein! So jung und unschuldig,
wie es Anna ist!' überlegt sie, bevor sie die Post an sich nimmt. 
"Wieder nur Geschäftsbriefe?" Enttäuscht will Isabell die Post 
zur Seite legen, als sie zwischenden den vielen Briefen ein kleines
Päckchen entdeckt. Ihre Neugierde ist geweckt. "Vom wem mag das
das Päckchen wohl sein?" Als sie es öffnet, kommt ein schwerer 
Siegelring zum Vorschein. 
   "Das ist doch Vaters Ring? Was hat das zu bedeuten? Und dort, 
dort steckt ja noch ein schwarzumrandeter Brief. Seltsam!" Hastig 
öffnet sie den Brief: 

   "Der Herr über Leben und Tod holte heute 
Hermann zu Gutwell
zu sich in sein ewiges Reich! 
Im tiefem Schmerz 
Die Belegschaft des Hauses zu Gutwell 
Gutwell, den 7. März." 

Isabell stößt einen Schrei aus. Anna kommt herbei. "Ist etwas passiert,
Frau Gräfin?" 
   "Bitte Anna, lesen Sie!" 
Als Anna den Brief flüchtig überschlägt, beginnt auch sie zu weinen.
   "Warum weinen  Sie denn Anna?" 
   "Verzeihen  Sie, Frau Gräfin, doch wenn ich jemanden weinen sehe,
dann muß ich einfach mitweinen!" 
   "Das muß sich aber ändern! Doch heute haben  Sie allen Grund
zum Weinen, denn mein Vater, Baron Hermann zu Gutwell, ist gestern 
gestorben!" 
   "Gott hab ihn selig, Frau Gräfin!" 
   "Es war für meinen Vater das Allerbeste!" 
   "War er krank, Frau Gräfin?" 
   "Nein er war nicht krank, doch er war sehr alt und sehr schwach!" 
   "Wie alt war ihr Vater?" 
   "Laß mich mal nachrechnen! Vater ist 97 Jahre alt geworden!" 
   "Ein stolzes Alter, Frau Gräfin!" 
   "Nicht wahr? Schau Anna, diesen Ring hat mir die Belegschaft meines Vaters zugeschickt, sozusagen als Andenken an ihn." 
   "Der Ring ist wunderschön, Frau Gräfin!" 
   "Wunderschön ist er zwar nicht, aber dieser Ring bedeutet mir dennoch sehr viel, denn er trägt das Wappen der Familie von Gutwell! Bitte, schicken  Sie meinen Mann zu mir!" 
   "Sofort, Frau Gräfin!" 

(C)2000-2010Helga Panitzky

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